Montag, 18. März 2013

Liebfrauenmilch, das Werk des Teufels - ein Erklärungsversuch

Viele kennen es, dieses süße, ja fast schon pappige Getränk, das ziemlich banal wirkt und einfach nur übertrieben süß schmeckt... Die Rede ist von der allseits bekannten Liebfrauenmilch. Von überall dringen Stimmen an mein Ohr, die diese Weine als Ausgeburt der Hölle verschreien. Zu Recht!

Etwa ab 1980 verkümmerte die Liebfrauenmilch zu einem Wein von vielen in den untersten Regalen des Supermarkts, dafür aber in rauen Mengen. Der Typus und das Schicksal dieses Produkts wurde in der ganzen Welt und gar im Inland zum Bild für Wein aus Rheinhessen und die Pfalz, wenn nicht gar den gesamten deutschen Weißwein. Außerdem war es auch ein Synonym für das Geschmacksbild einer breiten deutschen Bevölkerungsschicht, die nicht minder zu der Katastrophe beigetragen hat. Nichts gegen das Geschmacksbild, aber den kleinstmöglichen Preis dafür zahlen zu wollen, ist dann nicht gerade angebracht! Guter Wein hat einfach seinen Preis! Aber die LBM musste süß sein und spottbillig. Das Angebot wird bestimmt durch die Nachfrage, die einfachste Regel in der Wirtschaft. Der Kunde ist König. Und der König bekommt, was der König wünscht! Aber weiter im Text...
Rheinhessen und die Pfalz fielen in eine wahre Krise. Niemand konnte sich mehr vorstellen, dass aus diesen beiden Weinbaugebeiten noch ernst zu nehmende Weine kommen konnten. Begriffe wie die "Süßpfalz" machen heute noch die Runde, ja, schwirren gar in meinem Gedächtnis herum (und ich habe diese Epoche ja glücklicherweise gar nicht miterlebt!).
Aber: 
Dieser Dreikäsehoch hat doch gerade gesagt, dass die LBM (Liebfrauenmilch auszuschreiben tut irgendwann weh!) einen Absturz erfuhr... Soll das etwa bedeuten, dass dieses Gesöff vor der Krise bessere Zeiten erlebt hat? Ja, hat es!




Vor der begrifflichen Verunglimpfung der LBM war dieser Wein nämlich nichts anderes als ein limitierter Wein mit einer bestimmten Herkunft. Gewachsen sind die Trauben dieses Weins in den Weinbergen rund um die Liebfrauenkirche in Worms, Rheinhessen. Aber nicht nur das, es wurde noch strenger gehandelt (wie so ziemlich alles andere damals um 1750 herum): Es durften nämlich nur die Trauben in die Produktion der Liebfrauenmilch fließen, die im Schatten der Kirche wuchsen. Und wir meckern über heutige Bürokatie und Regelungen in Deutschland. Ein Weinhandelshaus kaufte nach und nach nahezu alle Weinberge um die Kirche auf und führte dann im Jahre 1909 die Marke "Liebfrauenmilch Madonna" ein, um sich vor Nachahmern zu schützen.
Ziemlich viel offizielles Trara um solch ein unliebsames Getränk, oder nicht?
Es kommt noch besser! Es wurde nämlich auch noch genau festgelegt, was rein darf. Die LBM muss nämlich zu mindestens 70% aus einer der weißen Sorten Riesling, Silvaner, Kerner, Müller-Thurgau oder Bacchus bestehen. Der Restzucker darf nicht unter 18g/l betragen.

Mein Fazit:
Wie in anderen Bereichen, in denen Geld fließt, wurde im Weinbusiness ein einfacher Trick angewandt: Nachahmung guter und erfolgreicher Ideen. Ganz einfach! Der Bereich, der für den Bezug von Trauben für die LBM hergezogen wurde (früher ja nur die Weinberge um die Kirche herum), ist auf die Pfalz, den Rheingau und die Nahe ausgedehnt worden. Die Ortsgebundenheit, einer der Faktoren, der diesen Wein so besonders gemacht hat, fiel also gänzlich weg. Überall und durch jeden wurde Liebfrauenmilch produziert. Plagiate also... Diese konnten aufgrund der zahlreichen Stückzahlen und den geringeren Fertigungskosten (aufgrund minderwertiger Materialien) auch billiger verkauft werden. Übertragen in die Weinbranche heißt das: Weniger und leichtere Arbeit in Keller und Weinberg, sprich rein konventioneller und nur gewinnorientierter Anbau mit dem Hauptaugenmerk auf Masse.
Genau das ist es, was der LBM widerfahren ist! Das Motto "Geiz ist geil" hat aus der Liebfrauenmilch das gemacht, was sie ist! Eine übertrieben süße, banale Einheitsplörre! Nichts, dass es wert wäre, damit seine Zeit zu verschwenden! Auch Rheinhessen und die Pfalz, beides heute Beispiele für wegweisende Anbaugebiete mit sehr tollen (auch trockenen!!!!) Weinen, haben es nicht verdient in einem Atemzug mit LBM genannt zu werden! Basta!

PS: Ein interessanter Artikel zur Liebfrauenmilch wurde übrigens auch in der FAZ veröffentlicht! Das war zwar schon 2008, aber der Artikel ist trotzdem noch klasse!

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